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dreifarbiges Dreieck
29. August 2022

Vorsicht: IBAN- bzw. SEPA-Diskriminierung

Bild: ollo/ procontra-online.de
Bild: ollo/ procontra-online.de
Ausländische Konten nicht anerkannt: GVO und WGV unterliegen vor Gericht

Am 17.08.2022 berichtete procontra online.

Der Begriff IBAN-Diskriminierung (oder auch SEPA-Diskriminierung) sorgt in den meisten Fällen für fragende Blicke. Erklärt ist er aber recht schnell: So dürfen Unternehmen, die in Mitgliedsländern des SEPA-Raums (36 europäische Staaten) sitzen, keine Kundenkontoverbindungen aus diesem ablehnen – auch nicht für das elektronische Lastschrifteinzugsverfahren (EEV). So schreibt es Artikel 9 der EU-SEPA-Verordnung vor. Es handelt sich also um geltendes Recht.

Dennoch gibt es immer wieder Unternehmen, auch aus der Versicherungsbranche, die bei dieser Regelung ins Straucheln geraten. Das zeigen aktuell zwei Gerichtsverfahren gegen die Württembergische Gemeinde-Versicherung a.G. (WGV) und die GVO Gegenseitigkeit Versicherung Oldenburg VVaG, von denen procontra Kenntnis erlangt hat.

Fehler einer Vermittlerin

Im Falle der WGV hatte eine Kundin eine österreichische Bankverbindung zur EEV-Zahlung der Beiträge hinterlegen wollen. Die zuständige Vermittlerin hatte ihr daraufhin erklärt, dass dies nicht möglich sei und nur deutsche IBAN genutzt werden könnten, die mit „DE" beginnen. Offensichtlich ein Fehler. „Wie sich herausstellte, hatte die Vermittlerin nur nicht mehr gewusst, wie sie die damals auf der Benutzeroberfläche der Vermittler bei der Bankverbindung voreingestellten Buchstaben ‚DE' durch andere ersetzen kann", heißt es auf procontra-Nachfrage von Seiten der WGV. Bereits am nächsten Tag sei dies gegenüber der Kundin richtiggestellt und korrigiert worden.

Dennoch landete der Fall bei der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e.V. (Wettbewerbszentrale). Diese konfrontierte die WGV mit einem weiteren Fall von IBAN-Diskriminierung – ein Kunde bekam beim Versuch, seine ausländische Bankverbindung im Online-Portal des Versicherers zu hinterlegen, eine Fehlermeldung – und forderte eine Unterlassungserklärung ein. [...]

Auch GVO muss sich Fehler anrechnen lassen

Einen ähnlichen Vorgang gab es im vergangenen Jahr auch bei der Gegenseitigkeit Versicherung Oldenburg (GVO). Dort hatte eine Frau mit einem litauischen Konto eine Privathaftpflichtversicherung abschließen wollen. Ein Mitarbeiter des Versicherers schrieb allerdings an die Kundin, dass man ihre ausländische IBAN aktuell nicht automatisch verarbeiten könne und bat sie daher um Nennung einer deutschen IBAN oder alternativ um Überweisung des Erstbeitrags.

Nachdem der Erstbeitrag nicht beglichen wurde, wurde dieser von der GVO angemahnt. In der Folge landete auch dieser Fall bei der Wettbewerbszentrale, die ihn vor das Landgericht Oldenburg brachte. Dieses stellte per Urteil einen Verstoß gegen die europäische SEPA-VO fest (Az.: 15 O 1977/21 vom 17.02.2022). Begründet wurde die Entscheidung unter anderem damit, dass die Nichtakzeptanz der litauischen IBAN auch nicht durch Einkleidung in eine höfliche „Bitte" negiert werde.

Gegen die LG-Entscheidung hatte die GVO anschließend noch Berufung vor dem OLG Oldenburg eingelegt, vor allem zur Wahrung sämtlicher Rechtsmittelfristen, wie die GVO auf procontra-Nachfrage erklärte. Anschließend wurde die Berufung zurückgenommen, da sich das OLG per Beschluss (Az.: 6 U 42/22 vom 25.05.2022) der Rechtsansicht der Vorinstanz anschloss. Der Oldenburger Versicherer betont, dass die technischen Voraussetzungen zur automatischen Verarbeitung von ausländischen IBAN- und BIC-Nummern bei der GVO vollumfänglich gegeben sowie sichergestellt sind. Zudem erklärte eine Unternehmenssprecherin, dass es allein aufgrund eines nicht nachvollziehbaren menschlichen Fehlers eines einzelnen Mitarbeiters zu dem Problem bei der Annahme der litauischen Bankverbindung kam. Es handle sich folglich um einen isolierten Einzelfall menschlichen Fehlverhaltens. Die Gefahr einer Wiederholung bestünde aus ihrer Sicht nicht.

SEPA-Beschwerden reißen nicht ab

Sofern dies doch einmal passiert, könnte es aufgrund der vorangegangenen Gerichtsverfahren für die beiden Versicherer teuer werden. Und das, obwohl beide betonen, dass es sich nur um versehentliche Einzelfälle gehandelt hätte. Dennoch ist die Wettbewerbszentrale in beiden Fällen mit voller juristischer Härte gegen die Versicherer vorgegangen. „Der Beschwerdeeingang zu diesem Thema ist bei uns kontinuierlich und nimmt seit Jahren nicht ab", sagt Peter Breun-Goerke, Syndikusrechtsanwalt der Wettbewerbszentrale, auf procontra-Nachfrage. Natürlich gebe es Milliarden Zahlungsvorgänge, die korrekt laufen würden. Doch auch auf Seiten der Versicherer komme es immer wieder zu Fehlern. Er fordere dann eine Unterlassungserklärung von den Unternehmen, um Wiederholungen zu vermeiden. Sofern sich die Versicherer dagegen sträubten, komme eben auch das Instrument der Klage in Betracht.

Die Anzahl der Menschen, die ihre deutschen Versicherungsverträge mit ausländischen IBAN bezahlen wollen, sei nicht gerade klein, sagt Breun-Goerke. Dies beträfe zum Beispiel ausländische Studierende, die längere Zeit hier an der Uni verbringen oder Mitarbeiter von Firmen, die für ein Jahr oder länger hierher abgeordnet würden. „Dann in Deutschland ein Konto zu eröffnen, ist oft gar nicht so leicht", meint der Jurist. Zumal es ja rechtens sei, die heimische IBAN auch hier zu verwenden.

Appell an Vermittler

Auch Vermittler sollten bereits bei der Antragstellung Vorsicht walten lassen, damit gar nicht erst größere Probleme und Gerichtsverfahren entstehen können. „Bereits kurz nachdem die WGV Versicherung vom Fehler der Vermittlerin erfuhr, wurden sämtliche Vermittler eindringlich darauf hingewiesen, dass von der WGV selbstverständlich alle ausländischen SEPA-Bankverbindungen akzeptiert werden – dass es jedoch nicht akzeptiert wird, wenn Vermittler Kunden hierzu eine andere Auskunft erteilen", so eine Sprecherin des Stuttgarter Versicherers. Ihres Wissens nach sei ein solcher Fehler bislang keinem weiteren Vermittler mehr unterlaufen.

Auch die GVO sieht sich für die Zukunft gut aufgestellt. „Die technischen Voraussetzungen in unserem Hause sind eindeutig", sagte die Sprecherin. Sowohl Vertreter als auch Makler könnten alle erforderlichen Daten für das SEPA-Lastschriftverfahren im Einklang mit geltendem EU-Recht bereits im Rahmen der Antragstellung eingeben.

Quelle: www.procontra-online.de